Müssen wir sterben, um zu leben?
Viele Menschen zeigen sich bewegt vom aktuellen Edeka-Werbespot zu Weihnachten. Darin täuscht ein Großvater seinen Tod vor, damit sich letztlich doch noch all seine Lieben bei ihm an Weihnachten versammeln. Der Spot trifft sicher nicht jedermanns Geschmack und doch regt er die Meisten zum Nachdenken an. Müssen wir eigentlich erst sterben, damit wir das bekommen, was wir uns vom Leben wünschen?
Noch längst nicht (aus-)gelebt
Wie der Tod uns dem Leben näher bringen kann, zeigen einige Geschichten von Menschen, die erfahren haben, dass sie nicht mehr lang zu leben haben. Dies kann auch zu der positiven Frage führen: „Was schulde ich mir?“ Manche sehen eine Erkrankung als einen Hinweis darauf, dass man mehr so leben soll, wie es einem persönlich entspricht. Seit den 1960er-Jahren begleitet und behandelt Lawrence LeShan Krebspatienten. Er erzählt dabei auch von vielen Patienten, welche die Melodie ihres Lebens gefunden haben und dadurch wieder geheilt wurden. Das hängt mit dem menschlichen Bedürfnis nach der Sinnfindung im Leben zusammen, die sich uns oft erst in existenziellen Krisen erst stellt. Diese Geschichten machen Mut und inspirieren, sein Leben zu überdenken und Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Wenn scheinbar keine Zeit mehr bleibt
Steve Jobs hätte sein Leben anders gestaltet, wenn er nochmals die Chance dazu gehabt hätte. Seine Gedanken hierzu gehen gerade vermehrt durch die Social Media Kanäle. Solche Aussagen von einem Menschen, von dem so viele glauben, er hätte „alles“ erreicht. Rückblickend relativiert vor allem die Bedeutung von Geld und Karriere stark. Eine solche Erkenntnis kommt scheinbar für viele zu spät. Die Zeit läuft von nun ab nur davon. Umso mehr rührt hier die Geschichte, in der ein Vater in Frankreich 262 Tage Urlaub geschenkt bekam, um diese mit seiner todkranken Tochter verbringen zu können. Seine 5-jährige Tochter Louann war an Leukämie erkrankt und kämpfte gegen den Krebs. Als der Angestellte eines Kühltransportunternehmens um unbezahlten Urlaub bat, um seiner Tochter zur Seite zu stehen, wurde er überrascht. Seine Kollegen Arbeitskollegen überschrieben ihm nicht nur den Urlaub, sondern sammelten auch für eine Reise, um ihm und seinem Kind noch einen Herzenswunsch zu erfüllen.
Träume sterben nicht
Gerade wenn junge Menschen sterben, dann stellt sich die Frage: Was haben diese vom Leben gehabt und was haben sie verpasst – vor allem, wenn sie in der Blüte ihrer Jugend standen. Kurz vor ihrem Tod verfasste die 13-jährige Talia Castellano eine sogenannte “Bucket List“. Sie wurde durch ihre Schminkvideos auf YouTube berühmt. Sechs Jahre lang hatte das Mädchen gegen eine seltene Form von Nervenkrebs gekämpft – 5 Tage vor ihrem Tod veröffentlichte sie eine Liste, mit Dingen, die sie vor ihrem Tod gerne noch getan hätte. Neben ganz alltäglichen Dingen, wie mit ihren Freunden auszureiten oder aus einer Kokosnuss zu trinken, hätte sie zum Beispiel gerne ein Auto komplett mit Haftnotizen bedeckt. Oder sie wünschte sich, ihren eigenen Lippenstift zu kreieren. Ihre Fans versuchten nach ihrem Tod, ihr nachträglich so viele Wünsche als möglich von dieser Liste mit 74 Punkten zu erfüllen und verbreiteten davon hunderte von Fotos im Netz. Warum ging manches davon nicht früher, fragt man sich da? Und was davon wäre wirklich wichtig (gewesen)?
Löffelliste – das gute „Ende“ selbst in die Hand nehmen?
Menschen, die ihr Leben bewusst in die Hand nehmen, denken auch über eine solche „Löffelliste“ mal nach. Dabei macht man gezielt eine Aufstellung an Dingen, die man tun möchte, bevor man eben nicht nur sprichwörtlichen den Löffel abgibt. Und warum bis zum „Schluss“ oder kurz davor warten? Es gibt vieler solcher „Hitlisten“. Viele solcher Listen, die man auch häufig im Netz findet, beziehen sich auf Orte, die man gesehen haben sollte oder besonders verrückte Dinge, die man getan haben sollte. Fragt man dagegen Menschen, die im Hospiz sind, was sie gerne noch getan hätten oder im Leben bereut haben, dann bekommt man etwas ganz anderes zu hören: man hätte mehr Zeit mit Menschen verbringen sollen, die man liebt. Der Edeka-Spot ist deshalb so erfolgreich, weil wir alle diese Wahrheit kennen – wir leben sie nur zu wenig.
Redaktion: Dr. Silvija Franjic
Quellen:
http://www.horizont.net/marketing/nachrichten/Jung-von-Matt-Weihnachtskampagne-Warum-im-Edeka-Spot-ein-verzweifelter-Grossvater-seinen-Tod-vortaeuscht-137675
http://www.sueddeutsche.de/leben/werbung-umstrittener-edeka-spot-extrem-unrealistisch-dennoch-ein-lehrstueck-1.2762408
http://www.focus.de/panorama/welt/autounfall-mit-19-jahren-freunde-erfuellen-lebenstraeume-der-verstorbenen-kaileigh_id_3852177.html
http://bfriends.brigitte.de/foren/diagnose-krebs/453268-ihnen-bleiben-nur-noch-wenige-monate-keine-lust-den-loeffel-abzugeben.html
http://www.bild.de/news/ausland/lebenseinstellung/studie-50-lebenstraeume-der-menschen-28220780.bild.html
https://de.nachrichten.yahoo.com/%E2%80%9Eerledigt%E2%80%9C–17-j%C3%A4hrige-krebspatientin-konnte-sich-vor-ihrem-tod-fast-alle-w%C3%BCnsche-erf%C3%BCllen-125414057.html
http://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Nach-Krebs-Tod-von-Talia-Castellano-Fans-erfuellen-ihre-Wuensche-id26196566.html
http://www.rpr1.de/~run/news/534926/17-jaehrige-erfuellt-sich-ihren-lebenstraum-und-stirbt-dabei
http://www.welt.de/vermischtes/article148500077/Todkranker-Star-Wars-Fan-darf-Film-vorab-sehen.html
http://www.derwesten.de/staedte/oberhausen/todkranken-werden-letzte-wuensche-erfuellt-id10888957.html
http://www.abendblatt.de/hamburg/von-mensch-zu-mensch/article112895615/Stiftung-erfuellt-den-letzten-Wunsch.html
http://www.gedankenpower.com/verrueckt-100-dinge-die-sie-tun-sollten-bevor-sie-sterben/
http://www.todo-liste.de/99dinge/leben
http://www.netmoms.de/nachrichten/grosszuegige-kollegen-spenden-262-urlaubstage-an-vater-mit-krebskranker-tochter-114853/?utm_source=other&utm_medium=social&utm_campaign=other-huffpost&fbc=other-huffpost&ts=201511271224
http://www.tagesspiegel.de/medien/steve-jobs-biografie-igod-wird-mensch/5748878.html
Bildquelle: Ryan McGuire